Vorhang auf für das deutsch-französische Theater Au fil des Nuages




Es ist 15:57 Uhr, als eine Nachricht meiner Interviewpartnerin in meinem Postfach aufblinkt: „Ich bin erst in drei Minuten für das Interview bereit…“. Ein kleines Augenzwinkern in Richtung deutscher Korrektheit: Drei Minuten zu früh ist genauso unhöflich wie drei Minuten zu spät. Wir wagen es dennoch, dieses ungeschriebene Gesetz zu durchbrechen; unser Telefoninterview beginnt genau zwei Minuten vor dem vereinbarten Termin.


Christina Gumz, Schauspielerin und Leiterin des 
deutsch-französischen Theaters Au fil des nuages.

© Clément Labail
 
Auf der Suche nach dem bereits beschriebenen deutsch-französischen "Mischtyp" habe ich bei Christina Gumz einen Volltreffer gelandet; auf die Frage, ob sie dieses Phänomen kennt, kommt ein beherztes „Oh ja!“ ihrerseits: „Ich wusste ja, dass es in Deutschland Hering und Brötchen und nicht Baguette und Sardinen gibt, aber irgendwie fühlte ich mich plötzlich fremd im eigenen Land“. Christina Gumz war sehr früh von Frankreich fasziniert und ging bereits nach dem Abitur als Au-Pair dorthin. Nach und nach entdeckte sie die Künstlerszene für sich und blieb von 2000 bis 2007 in Frankreich. Zunächst in Paris am Lucernaire, dann in Avignon, um kurz darauf nach Paris zurückzukehren und dort am Conservatoire d’Art dramatique ihre Schauspielausbildung zu absolvieren.


2005 gründete sie dann mit ihrem Partner Clément Labail das Theater Au fil des nuages. Doch der Wunsch nach Brötchen und Hering sowie die Sehnsucht nach dem Klang der deutschen Sprache führte Christina Gumz 2007 wieder zurück nach Deutschland. Nach 7 Jahren kam sie als französische Deutsche nach Berlin: im Gepäck nicht nur französische Gepflogenheiten, sondern auch das deutsch-französische Theater.  


© Michail Miloslavski
 
Dabei ist ihr größtes Anliegen, Kunst und Publikum zueinander zu bringen: „Unser Ansatz ist es auf den Menschen zuzugehen und nicht den Franzosen oder den Deutschen, sondern den Menschen dazwischen zu suchen“. Das gelingt ihnen gerade durch ihre ganz eigene Herangehensweise ans Theater – künstlerisch und in Eigenregie. Clément schreibt die Stücke auf Französisch, übersetzt werden sie von Christina und gespielt von beiden, häufig auch in Kooperation mit anderen Schauspielern. Damit jeder frei entscheiden kann, in welcher Sprache er die Stücke sehen möchte, werden sie auf Deutsch und Französisch inszeniert. Die Begeisterten können das Stück also gleich zweimal genießen, um den direkten Vergleich ziehen zu können. Die Besonderheit liegt darin, dass trotz Sprachtrennung die jeweils andere Kultur spürbar bleibt: „Wir spielen auf Deutsch, aber die Leute erkennen etwas Exotisches“. Das Exotische lässt sich dabei bereits in ihrer Herangehensweise erkennen: „Die Texte sind französisch gedacht und französisch geschrieben. Ich versuche dem treu zu bleiben und sie bei der Übersetzung gar nicht so einzudeutschen. Da kommt schon ein bisschen vom Französischen rüber, so ein Humor, ein Worthumor und natürlich der Akzent bleibt in der deutschen Inszenierung spürbar.“ Dadurch entsteht eine Verflechtung des Deutschen mit dem Französischen, wobei die beiden innerhalb ihres Konzepts noch weitere Grenzen aufbrechen. Sie lassen sich nicht festlegen auf eine einzige Form des Theaters und werden deshalb nicht selten mit der Frage konfrontiert: „Na, was ist das denn nun eigentlich?“ – eine Verknüpfung und ein Ineinandergreifen von Stummfilm und Theater, von Publikum und Schauspielern, von Französisch und Deutsch, in Berlin und in der Welt. In ihrem Projekt „scène ouverte“ kommt auch das Publikum zum Zug und darf nach Lust und Laune gemeinsam mit den Schauspielern auf die Bühne treten, bei Ganz und Gar – Nicht  schaffen Christina und Clément den Spagat zwischen Stummfilm und Café-Theater. Und wenn sie gerade einmal nicht in Berlin sind, reisen sie durch Deutschland und Frankreich, um dort vor allem Schulen Einblicke in ihr deutsch-französisches Theater zu geben.


Die beiden scheinen – wie der Name schon sagt – mit den Wolken zu ziehen, in alle Richtungen, durch alle Genres und durch die verschiedene Aspekte der deutschen und französischen Kultur und Sprache.
Wenn ihr Lust bekommen habt, schaut euch die Internetseite an, entdeckt das vollständige Programm des Theaters Au fil des Nuages und gönnt euch mal wieder einen erlebnisreichen Theaterabend.  

Mehr Infos zu Spielplan und Projekten findet ihr unter www.au-fil-des-nuages.net.

Clara Kopfermann

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